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Sexualisierte Gewalt

Besteht ein Verdacht?

Was ist sexualisierte Gewalt?

Lange galt die sexualisierte Gewalt von Kindern und Jugendlichen als Tabuthema. „So etwas passiert bei uns nicht!“ war die einhellige Haltung. Nicht erst seit den Fällen innerhalb der katholischen Kirchen oder Internaten, die Anfang der 2010er Jahre bekannt geworden sind oder durch die Fälle von Lügde, Bergisch-Gladbach oder Münster zum Ende des Jahrzehnts wissen wir als Gegenwind e.V., dass sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche ein Phänomen aus der Mitte der Gesellschaft ist. Sexuelle Handlungen, die von Erwachsenen an und mit Kindern und Jugendlichen ausgeübt werden, zieht sich durch alle Altersgruppen und gesellschaftliche Schichten.
Sexualisierte Gewaltformen werden auf unterschiedliche Weise ausgeübt und reichen von körperlichen Übergriffen an intimen Körperstellen wie Brust, Po, Penis oder Vulva, über Konfrontation mit pornografischen Bildern und Videos sowie Masturbation vor Minderjährigen bis hin zur oralen, vaginalen oder analen Penetration.

Die Täter*innen

Die sexuellen Handlungen passieren nicht spontan oder zufällig, sondern werden durch die Täter*innen oft strategisch geplant und vorbereitet. Dabei geht es den Täter*innen nicht immer um die eigene sexuelle Befriedigung. Oftmals steht in erster Linie die Machtausübung der Erwachsenen im Vordergrund zur Erhöhung des eigenen Selbstwertgefühls. Das Vorgehen zielt vor allem auf Heimlichkeit, Wahrnehmungsverzerrung und Manipulation. Sowohl die Betroffenen selbst, als auch das Umfeld werden durch die Täter*innen bewusst getäuscht, um sexuelle Handlungen auszuüben.

Die Betroffenen

Die Minderjährigen können aufgrund ihres Alters und Entwicklungsstandes die sexualisierten Gewalthandlungen weder verstehen, noch einordnen. Jedoch führen die Erlebnisse für die jungen Menschen häufig zu psychischen und emotionalen Belastungen. Für die betroffenen Kinder und Jugendlichen geht mit sexualisierten Gewalterfahrungen oftmals ein Erleben des Ausgeliefert-seins einher. Betroffene fühlen sich oft ohnmächtig und wissen nicht, wo sie Hilfe erhalten können. Auch verbinden viele Betroffene das Erlebte mit eigenen Schuld- und Schamgefühlen und entwickeln Ängste. Viele Kinder und Jugendliche, die von sexualisierter Gewalt betroffen sind, zeigen zudem körperliche Reaktionen: Schlaflosigkeit, körperliche Anspannung, Unkonzentriertheit, plötzliche und unbedingte Wutausbrüche oder Weinen, Schwindelgefühl oder Herzrasen.

Digitale sexualisierte Gewalt

Je mehr sich unser Alltag auch in den digitalen Raum ausweitet, z.B. durch Social-Media-Kanäle oder online-Games, desto mehr treten Formen von sexualisierter Gewalt auch digital auf. Täter*innen nutzen die Anonymität des Internets, um sexuellen Kontakt zu Minderjährigen herzustellen. Dieses Vorgehen nennt man Cybergrooming.

Über Chatfenster und Kommentarspalten laufen die Kontaktaufnahmen zunächst sehr unverbindlich und es wird versucht das Vertrauen der Kinder und Jugendlichen zu gewinnen. Stück für Stück platzieren Täter*innen sexuelle Inhalte in das Gespräch, erfragen Fotos oder Videos oder konfrontieren die Minderjährigen ungefragt mit Pornografie. Versenden Kinder und Jugendliche zum Beispiel Videos oder Bilder, werden sie damit teils unter Druck gesetzt und erpresst, um zum einen weitere Aufnahmen zu fordern und sich zum anderen das Schweigen zu sichern. Manche Täter*innen versuchen über diese Erpressungen auch körperliche, sexuelle Gewalt in der analogen Welt einzufordern.

Die Betroffenen sind häufig damit allein. Viele Erwachsene stehen digitalen Medien eher kritisch gegenüber. Sätze wie „Wir haben früher doch immer nur draußen gespielt und ihr sitzt heute nur vorm Smartphone“ oder „Ich weiß doch sowieso nicht, was meine Kinder den ganzen Tag im Internet machen“ verstärken zusätzlich das Gefühl, dass es keinen Erwachsenen gibt, der Helfen und Unterstützen kann. Dabei sollten Minderjährige beim Umgang mit digitalen Medien angeleitet und unterstützt werden.

Was tun gegen sexualisierte Gewalt?

Kinder und Jugendliche, die von sexualisierter Gewalt betroffen sind, benötigen erwachsene Personen, die hinsehen, zuhören, ernst-nehmen und einschreiten. Die jungen Menschen dürfen nicht selbst verantwortlich sein für ihren Schutz, sondern sind auf Erwachsene angewiesen, die helfen und unterstützen. Es ist daher empfehlenswert, dass sich erwachsene Menschen (Eltern, Angehörige, Fachkräfte) mit der Thematik auseinandersetzen und sich Wissen aneignen.

Das Thema der sexualisierten Gewalt muss weiter in der Öffentlichkeit enttabuisiert werden, sodass Signale an Betroffene gesendet werden, dass sie nicht allein sind. Dazu gehört ebenfalls, dass junge Menschen um ihre Rechte wissen und gleichermaßen vermittelt bekommen, dass Erwachsene nicht immer automatisch alles machen dürfen, was sie wollen.

Das Recht auf körperliche und psychische Unversehrtheit sowie das Recht auf eigene Grenzen muss den Minderjährigen im Alltag nicht nur vermittelt werden, sondern vor allem danach gehandelt werden, egal ob Zuhause, in der Schule oder im Freizeitbereich.

Kinder und Jugendliche müssen in ihren Wünschen und Bedürfnissen ernst genommen und möglichst bei allen Fragen, die sie direkt betreffen, beteiligt werden. So lernen Kinder und Jugendliche, dass ihre Anliegen wichtig sind und von Erwachsenen wahrgenommen werden.

Ein wichtiges Entwicklungsziel bei der Prävention ist die Unterscheidung von ‚guten‘ und ‚schlechten‘ Gefühlen. Die jungen Menschen müssen vermittelt bekommen, dass es unterschiedliche Emotionen gibt. Bei Gefühlen wie Angst, Trauer, Wut oder Verzweiflung ist es in Ordnung, wenn sie sich damit hilfesuchend an Jemanden wenden.

Ebenso spielt die altersgerechte Aufklärung über Sexualität und sexualisierte Gewalt eine große Rolle. Dabei dürfen die Informationen den Kindern und Jugendlichen jedoch keine Angst machen, sondern sie vor allem ermutigen, sich bei Gewalterleben an Erwachsene zu wenden.

Links & Literatur

Links & Literatur

Innocence in Danger: https://www.innocenceindanger.de/

Landesfachstelle Prävention sexualisierter Gewalt NRW: https://psg.nrw/

Webportal des UBSKM mit Informationen und Materialien: https://www.wissen-hilft-schützen.de/

Unabhängiger Beauftragter der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs: https://beauftragte-missbrauch.de/

EU-Initiative zur Förderung der online-Kompetenz junger Menschen: https://www.klicksafe.de/

Online Beratung bei Cyber-Mobbing: https://www.juuuport.de/beratung

Deutsche Gesellschaft für Prävention und Intervention: https://www.dgfpi.de/index.php/startseite.html

Bundeskoordinierung spezialisierter Fachberatungsstellen: https://www.bundeskoordinierung.de/

Was tun bei Verdacht?

Im Falle des Verdachtes von sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in ihrem Umfeld, heißt es zunächst Ruhe bewahren. Es bringt nichts in diesem Moment in einen „blinden Aktionismus“ zu verfallen. Selbstverständlich fällt es persönlich nicht leicht, Kinder und Jugendliche weiterhin sexualisierter Gewalt ausgesetzt zu lassen, jedoch schadet ein überstürztes Eingreifen eher den Betroffenen. Erfahren beispielsweise die Täter*innen von den Verdachtsmomenten, können sie die betroffenen Kinder und Jugendlichen noch stärker unter Druck setzen nichts zu sagen.

Sehen Sie auch davon ab, bei Verdacht umgehend eine Strafanzeige bei der Polizei zu stellen. Dies ist keine gesetzliche Pflicht! Mit einer Anzeige geht bei den Ermittlungsbehörden ein Prozess in Gang, den weder Sie noch die Betroffenen beeinflussen können. Daher sollte eine strafrechtliche Anzeige gut vorbereitet sein und kann auch zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Gemäß §8a SGB VIII besteht allerdings eine sogenannte Mitteilungspflicht an das Jugendamt, sollte ein Verdacht auf eine mögliche Kindeswohlgefährdung bestehen.

Der Zeitpunkt des Eingriffes in sexuelle Gewaltverhältnisse ist eine schwierige Frage, die an dieser Stelle nicht allgemein beantwortet werden kann. Es ist immer im Einzelfall abzuwägen und zu entscheiden. Nehmen Sie Kontakt zu uns oder zu einer anderen Fachstelle auf, die fachliche Erfahrung mit diesen Fragen hat. Im Austausch miteinander wird eine Strategie entwickelt, um eine Intervention vorzubereiten und betroffenen Kindern und Jugendlichen zu helfen. Dies ist bei uns auch anonym und telefonisch möglich.